Aus dem Leben
meiner alten Freundin
Für Elly
Vor noch nicht langer Zeit habe ich eine mir ganz wichtige Freundin verloren. Aus dem Leben meiner alten Freundin werde ich erzählen, darum hat sie mich immer gebeten. Unsere Freundschaft war etwas ganz besonderes und dieses Buch ist etwas ganz besonderes.
Und wenn ich des Lebens müde bin, mache ich mich aus dem Staub.
Mein Engel – Auf Wiedersehen
07.01.1999
Prolog
Ein neues Jahr hat begonnen, gerade mal wenige Tage ist es alt. Im alten Jahr hast du Abschied genommen, dich und dein Leben aufgegeben. Ganz leise aus dem Staub gemacht.
Lange schon warst du müde, doch gab es so unendlich viel was dir jeden Tag von neuem Kraft gab. Oft hast du mich dafür verantwortlich gemacht und gesagt:
„Seraphina – wenn ich dich nicht hätte...“
Egal, was auch immer auf uns zukam, sicher habe ich zu dir gestanden und dich über die Grenzen des beruflichen heraus nicht im Stich gelassen – auch wenn es Momente gab, in denen es mir nicht leicht fiel, die berufliche von der privaten Verbindung zu unterscheiden.
Voller Stolz habe ich immer von meiner alten Freundin erzählt und dass ich sie nicht verlieren möchte. Vielleicht habe ich sie manchmal mehr gebraucht, als sie mich.
Die Zeit zurückdrehen, das wolle meine alte Freundin, denn ihr hohes Alter hat sie nie akzeptiert.
Es gab tatsächlich Momente in denen sie es geschafft hat, die Zeit einfach zu vergessen, zurück zu drehen.
I. Meine Letzten Worte (Trauerrede)
Vor noch nicht langer Zeit habe ich eine mir ganz wichtige Freundin verloren. Als Patientin habe ich sie nie angesehen, obwohl ich sie durch meinen Beruf kennen gelernt habe. Im Laufe der Jahre ist sie mir eine wahre Freundin geworden. Gegenseitig haben wir uns festgehalten weil wir einander brauchten. Loslassen, das war für uns besonders schwer.
Liebe Elly, deine warme, weiche Hand, oft habe ich sie halten dürfen. „Bleib noch!“ hast du gesagt und ich bin geblieben. Während du deine Geschichten von früher und Heute erzählt hast, habe ich beim zuhören die Zeit vergessen. Du konntest so wunderschön erzählen, deine Stimme klang wie eine sanfte Melodie. Du konntest aber auch gut zuhören, das Alter hat uns nie getrennt, den anderen zu verstehen.
Wenn ich morgens die Treppe hochkam und du meine Stimme gehört hast, wusstest du genau, wie es mir geht. Vor dir konnte ich nichts verbregen. Wie du mein Befinden erkannt hast, habe ich nie erfahren. Es war einfach so!
Deine Offenheit, dein großes Interesse am weltlichen Geschehen, deine Lebenserfahrungen, deine Stärke und Willenskraft, dein Mut und deine Ehrlichkeit haben mich täglich neu fasziniert. Ich habe dich bewundert!
Niemals habe ich dich verzweifelt gesehen, dich nie jammern hören. Unsere Freundschaft war etwas besonderes. Deshalb hast du mich auch immer gebeten, nach deinem Tod unsere Geschichte aufzuschreiben. „Aus dem Leben meiner alten Freundin“.
Weißt du wie schwer es ist?
Zwischen Trauer und Schmerz, Suchen und Vermissen finde ich kaum Kraft zum Schreiben.
Aber ich werde mein Versprechen halten.
Erwachen
im grauen Alltag
keine Ecke zum festhalten
kein Sonnenschein zum hochziehen
kein Gegenüber zum mitteilen
alles verschwimmt vor meinen Augen
Ich hätte nie gedacht, dass ich dich einmal so unendlich vermissen werde, dass du mir so fehlen wirst! Dass ich dich suche und nicht finde!
Dass meine Angst meinen Verstand zweifeln lässt.
Die Realität holt mich ein.
Du bist tot!
Und doch weiß ich, dass mir die Erinnerungen an eine wunderschöne Zeit mit dir bleiben werden. Ich werde dich sehr vermissen, dich niemals vergessen.
Liebe Elly, das war das letzte Gespräch, was wir hier auf Erden geführt haben. Ich werde dich jetzt loslassen müssen! Aber wir werden uns eines Tages wiedersehen. So steht es im Buch.
Wir treffen uns wieder – in unserem Paradies!
Deine Seraphina
Wir bleiben die Alten – Mach`s gut, liebe Freundin
II. Am Anfang
Es ist eine einfache, aber wahre Geschichte, die ich erzähle.
Eine Geschichte aus dem Leben meiner alten Freundin. Im Laufe der Zeit hat sie mir diese anvertraut . Anspruchslos und bescheiden war ihr Leben und doch war es gefüllt von Lebendigkeit und Lebensfreude.
Mein Beruf führte mich zu ihr, distanzierte Nähe die sich schnell löste und eine vertaute Atmosphäre zwischen uns schaffte. Noch nie zuvor habe ich eine so interessante und bewundernswerte Person kennen gelernt. Humorvoll, klug, selbstbewusst, stark aber auch einsam. Um dieser Einsamkeit zu entfliehen suchte sie sich immer neue Interessen und Aufgaben. Doch davon erzähle ich später.
Obwohl ein Altersunterschied von 72 Jahren zwischen uns lag waren wir uns in vielen Dingen ähnlich. Eines Tages äußerte sie den Wunsch, dass ich diese Geschichte aufschreibe und erzählen werde. Sie diskutierte mit mir nicht darüber und da ich wusste, dass sie es mir nicht sagen würde, blieb ich still.
Dieses Buch ist eine Herausforderung für mich, doch ich nehme sie gerne an, denn in Gedanken kann ich ganz nah bei meiner alten Freundin sein.
Ich muss nur die Zeit zurückdrehen...